Schirmherrin des Max-Spohr-Preises 2020 Christine Lambrecht

Im vergangenen Oktober hatten wir den Tod einer beeindruckenden Persönlichkeit zu betrauern. Manfred Bruns, Bundesanwalt und langjähriger Vorsitzender des Lesben- und Schwulenverbands, ist im Alter von 85 Jahren von uns gegangen. Dass § 175 StGB abgeschafft wurde und seine Opfer rehabilitiert, dass das Bundesverfassungsgericht die Unterschiede von gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft und Ehe schrittweise aufgehoben hat und wir seit 2017 endlich die Ehe für Alle haben – das verdanken wir zu einem großen Teil auch ihm, dem hartnäckigen und besonnenen Kämpfer für die Rechte von LGBTI. Doch obwohl diese Aufzählung nur eine Auslese seiner Erfolge ist, sagte Manfred Bruns im Rückblick auf sein Leben: „Lebensläufe wie meiner sollten sich nicht wiederholen!“

Was meinte er damit? Manfred Bruns verbarg fast fünfzig Jahre lang seine Homosexualität. Denn er fürchtete um seine bürgerliche Existenz und wollte seine Familie beschützen. Als er sich 1983 schließlich outete, entband ihn sein Vorgesetzter von wichtigen beruflichen Aufgaben. Seine Kolleginnen und Kollegen mobbten ihn systematisch und weigerten sich sogar, den Mittagstisch mit ihm zu teilen. Das, meinte Manfred Bruns, solle sich nicht wiederholen. Und ja! Nie wieder soll jemand aus Furcht vor gesellschaftlicher Ausgrenzung und Diskriminierung nicht so sein dürfen, wie er ist. Nie wieder soll es notwendig sein, dass jemand Zeit seines Lebens um selbstverständliche menschliche Rechte ringen muss.

Vieles hat sich seitdem zum Besseren verändert. Doch immer noch gilt: Gut ein Drittel aller Berufstätigen hat Diskriminierung am Arbeitsplatz am eigenen Leib erfahren oder zumindest beobachtet. Daher unterstütze ich sehr, dass sich heute viele Unternehmen für die Belange von LGBTI stark machen, die menschliche Vielfalt in ihren Teams aktiv fördern und ein Klima der Toleranz, Offenheit und Mitmenschlichkeit schaffen.

Es freut mich und ist in jeder Hinsicht verdient, dass ein modernes Diversity Management den Unternehmen zum Erfolg gereicht: Sie gelten als attraktive Arbeitgeber, genießen einen guten Ruf in der Öffentlichkeit und können sich über eine zufriedene Belegschaft freuen. Außerdem zeigen Untersuchungen, dass gemischte Teams bessere Arbeitsergebnisse erzielen. Das ist allerdings nicht der zentrale Punkt. Vielmehr geht es darum, dass diese Unternehmen allen Menschen die gleichen Chancen bieten, dass sie alle Menschen vor Diskriminierung bewahren und dass sie es ihnen ermöglichen, so sein zu dürfen, wie sie sind – auch am Arbeitsplatz. Kurzum: Es geht darum, Manfred Bruns Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen. Lebensläufe wie seiner sollen sich nicht wiederholen!

Ich danke dem Völklinger Kreis sehr herzlich dafür, dass er den Unternehmen die ihnen gebührende Anerkennung und Hochachtung zuteilwerden lässt: mit der Verleihung des Max-Spohr-Preises! Denn es ist eben doch gut, dass sich ein wichtiger Aspekt aus dem Leben von Manfred Bruns wiederholt: das Engagement für Chancengleichheit und gegen Diskriminierung.
Meine Anerkennung und Hochachtung gilt allen Menschen, die sich im Völklinger Kreis und in den Unternehmen für diese menschlichen Werte engagieren.

 

Christine Lambrecht
Bundesministerin der Justiz
und für Verbraucherschutz