Straight Ally – Der Max-Spohr-Preis und sein Namensgeber
Max Spohr wurde 1850 in Braunschweig geboren, heiratete mit 30 Jahren eine Kölnerin und gründete mit 31 Jahren einen Verlag in Leipzig. Er erlangte zeitgenössische Bekanntheit als einziger Verleger, der Schriften um das damals schon skandalträchtige Thema Homosexualität herausgab.
Er unterstützte als heterosexueller Mann den Kampf gegen die Kriminalisierung der homosexuellen Liebe und gründete zusammen mit Magnus Hirschfeld, Eduard Oberg und Franz Joseph von Bülow am 15. Mai 1897 das Wissenschaftlich Humanitäre Komitee, um die Öffentlichkeit über das „Wesen der mann männlichen Liebe“ aufzuklären – es war die Geburtsstunde der weltweit ersten Organisation für die Rechte von Homosexuellen.
Finanziert wurde das Komitee zu einem großen Teil mit der Veröffentlichung von über 120 Büchern zur Homosexualität durch den Spohr-Verlag. Diese Schriften galten damals als unzüchtige Werke. Sein Engagement für die Aufklärung blieb somit nicht ohne Folgen. Spohr wurde denunziert, wiederholt vor Gericht gestellt und auch verurteilt.
Eine seiner Verteidigungen ist überliefert: „Ich brauche wohl nicht hervorzuheben, dass durch meinen Verlag noch nie ein unsittliches Werk Verbreitung fand, auch wenn ich den Mut besitze, Schriften zu veröffentlichen, die, wenn sie auch heikle Gegenstände berühren, lediglich der Menschheit zum Segen dienen.“
Hirschfeld beschrieb Spohr in seinen Memoiren so: „Mit seiner ausgezeichneten Gattin und drei blühenden Söhnen führte er, von anderweitigen Empfindungen ungetrübt, das glücklichste Familienleben.“ An anderer Stelle betonte er: „Max Spohr gehörte zu denen, die den Glauben mancher Homosexueller, dass nur ein ähnlich Empfindender ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen könne, Lügen strafte.“ Max Spohr war damit wohl mit der erste „Straight Ally“ der deutschen LGBT+ Bewegung. Als Spohr 1905 in Leipzig starb, wurde sein Eintreten für Toleranz und Aufklärung in zahlreichen Nachrufen geehrt. Er hinterließ eine Ehefrau und drei Söhne.
Aufgrund der bewundernswerten Verdienste Max Spohrs sowie seines offenen Eintretens für das tolerante Umgehen mit sexueller Identität entschloss sich der Völklinger Kreis, einen Preis in seinem Namen zu stiften, der zum ersten Mal 2001 verliehen wurde. Mit diesem Diversity-Management-Preis werden Unternehmen und öffentliche Institutionen geehrt, welche sich im besonderen Maße um die Förderung von Vielfalt im Hinblick auf die sexuelle und geschlechtliche Identität verdient gemacht haben.
Seit 2001 ist viel passiert und daher wird der Preis regelmäßig den Erfordernissen der Zeit angepasst, so wird z.B. in diesem Jahr erstmals zusätzlich ein Sonderpreis für Nachhaltigkeit verliehen. Der ursprüngliche Kern des Max-Spohr-Preises ist dabei erhalten geblieben und heute mehr denn je das entscheidende Differenzierungsmerkmal zu anderen Diversity-Auszeichnungen. Und so liegt der Fokus weiterhin auf der sexuellen und geschlechtlichen Identität und damit vor allem auf Programmen für lesbische, schwule, bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Mitarbeiter_innen.
Für die Verleihung eines Preises mit derartiger Fokussierung hat der Völklinger Kreis mit die beste Expertise. Wir wissen aus unserer Erfahrung als Berufsverband schwuler Führungskräfte und Selbständiger, durch die Biografien unserer Mitglieder_innen, durch den Austausch mit Diversity-Experten in ganz Europa und durch die etablierten Studien und Projekte, die wir regelmäßig durchführen, dass die Berücksichtigung der sexuellen und geschlechtlichen Identität im Diversity Management immer noch eine der größten Herausforderungen ist.
Zu oft noch herrscht vorsichtiger Abstand, wenn man sich im Rahmen eines ganzheitlichen Diversity Managements auch mit schwulen, lesbischen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Beschäftigten auseinandersetzen soll. Zwei Drittel der Arbeitgeber_innen machen dies nicht. Sie stellen Gender Mainstreaming in den Mittelpunkt, manchmal auch unter dem alten Namen Frauenförderung. Dies ist nicht mehr als das, was gesetzlich vorgeschrieben ist.
Neben dem Fokus auf der Identität ist aber auch der grundsätzliche Blick auf das Diversity Management als Gesamtheit in der Organisation von Bedeutung bei der Preisvergabe. Denn nur wenn dieses aus einem Guss kommt und es um die Wertschätzung der Vielfalt geht und nicht um das pure Erfüllen von Quotenvorgaben, dann gibt es auch im Ergebnis Vorteile für alle.
Wie es möglich ist, Diversity Management erfolgreich zu verwirklichen, zeigen die bisherigen Preisträger_innen des Max-Spohr-Preises: die Ford Werke GmbH, die Deutsche Bank AG, die Deutsche Bahn AG, die Volkswagen Financial Services AG, die SAP AG, die IBM Deutschland GmbH und die Commerzbank AG, die Deutsche Telekom AG, die Landeshauptstadt München, die Daimler AG, die Stadt Dortmund, EY (Ernst & Young GmbH), die Berliner Verkehrsbetriebe BVG AöR, die Siemens AG und die Landeshauptstadt Hannover.
Diese ausgezeichneten Arbeitgeber_innen teilen eine Überzeugung: Die Vielfalt der Mitarbeiter_innen in Bezug auf Alter, Behinderung, Geschlecht, Herkunft, Religion, Weltanschauung und sexuelle und geschlechtliche Identität darf nicht verdrängt werden, sondern ist ein Vorteil, der aktiv zum Besten für die Entwicklung von Unternehmen/öffentlichen Einrichtungen wie Beschäftigten genutzt werden muss.
Die positiven Effekte eines ganzheitlichen Diversity Managements sind vielfältig. Ein Arbeitsumfeld, in dem wertschätzend mit Vielfalt umgegangen wird, fördert Kreativität und Innovation. Netzwerke innerhalb, aber auch zwischen Unternehmen/öffentlichen Arbeitgeber_innen ermöglichen Erfahrungsaustausch und damit Wissen um Best Practice.
Ein weiterer Nutzen ist die positive Wirkung nach außen. Nicht zuletzt beim Wettbewerb um die besten Talente bringt ein erfolgreiches Diversity Management einen entscheidenden Vorteil. Obwohl die Vorteile von Diversity-Programmen offensichtlich sind, stehen viele deutsche Arbeitgeber_innen bei deren Entwicklung und Umsetzung erst am Anfang. Für den Völklinger Kreis ist daher die Umsetzung des ganzheitlichen Diversity-Gedankens eines der zentralen Ziele seiner Arbeit als Berufsverband. Er will seine Kompetenz im Themenbereich Viefalt/Diversity Management nutzen und das Diversity Management im Dialog mit Arbeitgeber_innen, aber auch Gewerkschaften, Spitzenverbänden und anderen Interessenvertreter_innen sowie der Politik weiter voranbringen.